Mittwoch, 9. November 2011

Harninkontinenz nach Prostataoperation

Der Harntrakt besteht aus Harnblase und Schliessmuskeln. Ein Netzwerk aus Nervenbahnen ermöglicht das Speichern von Harn unter Wahrung eines wasserdichten Verschlusses und die vollständige Entleerung der Blase. Jeder unfreiwillige Verlust von Harn ist eine Fehlfunktion des Harntraktes. Tritt ein Harnverlust beim Husten, Niesen oder unter körperlicher Belastung auf, so liegt eine Schwäche des Blasenverschlusses vor. Unter Belastung übersteigt der Blasendruck den Verschlussdruck des Schliessmuskels, und es kommt zum unfreiwilligen Harnabgang, einer sogenannte Belastungsinkontinenz.
Eine Operation der Prostata ist die häufigste Ursache für eine Belastungsinkontinenz des Mannes. Wenn der Schliessmuskel während der Operation beschädigt wurde und nicht mehr wasserdicht schliesst, kann es nach dem Eingriff zu einem unfreiwilligen Harnabgang kommen. Nach einer Ausschabung der Prostata ist eine dauerhafte Inkontinenz sehr selten. Nach der Totalentfernung der Prostata hingegen kann der Schliessmuskel beschädigt sein. Etwa 10 bis 20% der operierten Männer bemerken nach dieser Operation, zumindest vorübergehend, einen unwillkürlichen Harnverlust. Durch ein intensives Beckenboden- und Schliessmuskeltraining unter Anleitung des Arztes oder eines speziell ausgebildeten Physiotherapeuten gelingt es in den meisten Fällen, nach einigen Wochen oder Monaten eine Kontinenz zu erreichen. Eine medikamentöse Behandlung, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Duloxetin, kann das Beckenbodentraining unterstützen.
Ein leichter ungewollter Harnverlust kann durch eine Unterspritzung der Harnröhrenwand behandelt werden. Hierbei wird unter lokaler Betäubung der Harnröhre eine zähflüssige Kunststoffmasse von innen in die Wand der Harnröhre gespritzt und damit die Abflussbahn eingeengt. Damit kann ein unfreiwilliger Harnverlust verhindert oder zumindest eingedämmt werden.
In den letzten Jahren wurden Harnröhrenbänder und Schlingen für Männer mit Belastungsinkontinenz entwickelt. Hintergrund ist die Beobachtung, dass sich die Harnröhre nach einer Prostataentfernung aus der Verankerung im Beckenboden lösen und absinken kann, und so der Verschlussmechanismus nicht mehr optimal funktioniert. Das Prinzip der Harnröhrenbänder besteht darin, ein Kunststoffband unter der Harnröhre zu platzieren und ihr so ein einer Hängematte ähnliches Widerlager zu schaffen. Diese Hängematte verhindert ein Absinken der Harnröhre beim Husten oder bei körperlicher Aktivität und sorgt so für einen verbesserten Verschluss.
Das Harnröhrenballon-System ist ein vollständig implantierbares System zur Wiederherstellung der Kontinenz nach einer Prostataoperation. Es besteht aus zwei zirka kirschgrossen Silikonballons, die mit einer Zuleitung verbunden sind. Die Ballons werden rechts und links der Harnröhre unmittelbar an ihrem Abgang aus der Blase platziert und mit Flüssigkeit gefüllt. Die Zuleitungen werden unter der Haut des Hodensacks abgelegt, so dass sie durch die Haut ertastet werden können. Nach der Implantation beginnt man, die Ballons schrittweise aufzufüllen. Mit zunehmender Füllung engen die beiden Ballons dann die Harnröhre ein und verbessern so die Kontinenz.
Eine Schliessmuskelprothese besteht aus drei Komponenten: einer Harnröhrenmanschette, einer Bedienpumpe und einem Ballon. Die Komponenten sind untereinander mit Silikonschläuchen verbunden und bilden eine in sich geschlossene und vollständig in den Körper implantierte Einheit. Die Manschette dient dem Verschluss der Harnröhre und sorgt dafür, einen ungewollten Harnverlust zu vermeiden. Zur Entleerung der Blase kommt ein Öffnungsmechanismus ins Spiel. Mit Hilfe einer Bedienpumpe kann die Flüssigkeit aus der Manschette gepumpt werden, der Druck auf die Harnröhre lässt nach und gibt den Weg frei für die gewollte Entleerung der Blase. Während der Entleerung der Blase fängt der Ballon die aus der Manschette abgeleitete Flüssigkeit auf und speichert sie für einen kurzen Moment. Der Ballon befindet sich direkt neben der Blase oder kann in den Bauchraum platziert werden, er wird zudem mit einem gewissen Überdruck gefüllt. Dieser Druck bewirkt, dass die Flüssigkeit nach dem Wasserlassen innerhalb von wenigen Minuten automatisch vom Ballon zurück in die Manschette strömt, und diese die Harnröhre wieder verschliesst.
Ein Beitrag von PD Dr. med. André Reitz, KontinenzZentrum Hirslanden Zürich auf derprostatatakrebs.ch

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