Montag, 28. Januar 2008

Ein blaues Wunder

Fast auf den Tag 10 Jahre ist es her, dass die Potenzpille Viagra der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Es begann alles mit einem Zufall: 1989 testete der Pharmakonzern Pfizer den neuen Wirkstoff Sildenafil an Patienten mit einer Verengung der Herzkranzgefässe. Die Wirkung am Herzen war so enttäuschend, so dass man sich zum Abbruch der Studie entschloss. Die beteiligten Patienten waren darüber weniger erfreut, nähere Nachforschungen ergaben, dass viele der Patienten mit dem Medikament eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit bemerkt hatten. Nach dieser Zufallsentdeckung behandelte man 1994 erfolgreich Patienten mit einer Erektionsschwäche mit Sildenafil, erfand die Marke Viagra, und der Rest ist bekannt. Erste mediale Aufmerksamkeit erlangte Viagra durch den Bob Dole, den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten des Jahres 1996. Nach der Operation einer Prostatakrebs an Impotenz leidend, testete der Viagra und sprach in der Talkshow von Larry King von einem Wunder. Selten wurde eine Werbekampagne zur Markteinführung eines Medikamentes ein solcher Selbstläufer, innerhalb kurzer Zeit stieg der Bekanntheitsgrad der Marke auf über 80%, nicht zuletzt auch wegen des Medien-Hype um Viagra. Dessen Spektrum erstreckte sich von überschwänglicher Euphorie (die Bild-Zeitung schrieb von einer Sex-Revolution) bis zu tiefer Dyphorie bei Todesfällen im Zusammenhang mit der Einnahme von Viagra und anderen Medikamenten. International spannte man selbst Fussballstar Pelé für die Marketingschlacht ein. Vor allem aber bewirkte die Präsenz des Themas in den Medien eines, die Enttabuisierung der Erektionsstörung. Allerdings schien es plötzlich so, als sei jeder zweite Mann impotent, selbst erfahrene Urologen waren von der sich epidemieartig ausbreitenden „Volkskrankheit“ Impotenz überrascht. Heute werden in der Schweiz monatlich 100 000 Tabletten verkauft, das ist der dritthöchste Pro-Mann-Verbrauch in Europa, nur Briten und Finnen konsumieren mehr. Längst ist das Medikament zum Lifestyle-Produkt geworden, und auch Männer ohne Erektionsproblem greifen immer öfter zu den blauen Pillen.

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