Die männlichen Wechseljahre sind gerade in aller Munde, nach dem Wunsch pharmazeutischer Unternehmen insbesondere in Tablettenform. Dabei ist durchaus unklar, ob manche oder gar alle Männer ab 40 eine solche Hormonumstellung verbunden mit Beschwerden durchleben. Auch unter Wissenschaftlern besteht weithin Uneinigkeit. Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb der Berliner Nervenarzt Kurt Mendel über das „Climacterium virile“, von dem er glaubte, dass es sich um eine Erkrankung des Nervensystems handelte. Später nahm man an, dass die Keimdrüsen des Mannes im Alter weniger „innere Sekrete“ bilden und so einen Rückgang der allgemeinen (einschließlich der sexuellen) Leistungsfähigkeit zu beobachten sei. Dies gipfelte sogar in der Schlussfolgerung des Wiener Physiologen Eugen Steinach: „Ein Mann ist so alt wie seine Keimdrüsen“. Den Mann rein als Sklaven seiner Hormone zu betrachten - eine aus heutiger Sicht eindimensionale Sichtweise. Schon in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts brachten die Pharmafirmen CIBA (Androstin) und Schering (Proviron) Medikamente gegen Wechseljahresbeschwerden auf den Markt, ohne sonderlichen Erfolg. Proviron, ein synthetisches Androgen, hingegen erlebt seit den siebziger Jahren eine Renaissance in der Bodybuilding-Szene. Die ersten künstlichen Testosteon-Präparate, seit dem Ende der 1930er Jahre verfügbar, wurden gegen klimakterische Beschwerden bei Männern eingesetzt. Hauptproblem, gestern wie heute, ist eine genaue Definition der Andropause des Mannes. Während einige Männer mit tiefem Testosteronspiegel im Blut erhebliche Beschwerden haben können und von einer Hormongabe profitieren, haben andere mit ähnlich tiefem Testosteron überhaupt keine Probleme und fühlen sich wohl und kerngesund. Trotz des Fehlens klarer Daten und Richtlinien propagieren Pharmakreise in letzter Zeit wieder den medikamentösen Männer-Jungbrunnen, meist als Kombination von erektionsfördernden Substanzen und einer Testosterontherapie. Ohne fundierte Daten, wohl aber mit vollmundigem Marketing wird versprochen, das Rad des Lebens zurückzudrehen. Ein schwindender Bauch, gestärkte Muskeln, sexuelle Potenz, geistige Vitalität und gar eine Sanierung des Herz-Kreislauf-Systems werden als Erfolge einer Testosterontherapie angepriesen. Völlig außer Acht lässt man, daß saubere Daten aus qualitativ hochwertigen Studien fehlen. Dem Wunsch vieler Männer auch im Alter fit und leistungsfähig zu sein, wird mit einer intensiven Forschung auf dem Gebiet der Männergesundheit Rechnung getragen. Studien zum Einfluss einer Testosterontherapie auf das Herz-Kreislaufsystem, den Knochen- und Muskelapparat, den Stoffwechsel, die Psyche und die allgemeine Lebenserwartung sind unterwegs und werden ungeduldig erwartet. Bis dahin ist Zurückhaltung angeraten, schliesslich hat die Therapie auch Risiken und Nebenwirkungen.
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